
Hieronymus Bosch wählt für die Darstellung des Jüngsten Gerichts die Form eines dreiteiligen Flügelaltares.
In der zentralen Tafel (Abb. 1, siehe rechts) ist oben Christus in einer Wolkenformation als Weltenrichter dargestellt. Er ist von den zwölf Aposteln sowie der Gottesmutter Maria und Johannes dem Täufer flankiert. Vier Engel künden mit Posaunen das Jüngste Gericht an.
Darunter ist eine düstere Szenerie ausgebreitet: In einer dunklen, vegetationslosen Landschaft werden Menschen von seltsamen, dämonenhaften Wesen gepeinigt. Sie werden gehängt, gebraten und durchbohrt, vor den Mahlstein gespannt, in Fässer gesteckt und auf Stöcke gebunden, Gliedmaßen werden abgetrennt, Körperteile in der Pfanne gebraten und Fußsohlen mit Hufeisen beschlagen. Hinter diesen grauenhaften Szenen verbirgt der Maler den Kanon der Sieben Haupt- bzw. Todsünden: Diese sind die Wollust (LUXURIA) und der Hochmut (SUPERBIA), die Fress- und Trunksucht (GULA), der Geiz (AVARITIA), der Neid (INVIDIA), die Faulheit bzw. Glaubensträgheit (ACCIDIA) und der Zorn (IRA).

Bosch lenkt mit diesem Sündenreigen den Betrachter vom Hauptthema, dem Jüngsten Gericht, ab. Traditionell wäre unter dem Weltenrichter an dieser Stelle die Scheidung der aus ihren Gräbern aufsteigenden Verstorbenen durch die Seelenwaage des hl. Michael in Gute und Böse, also in Selige und Verdammte zu erwarten, die in der Folge nach links ins ewige Paradies und nach rechts in die Hölle geleitet werden. Bosch verzichtet auf das Motiv der Scheidung und ersetzt es durch die Darstellung der Sieben Todsünden. Nur in einer kleinen Nebenszene existiert der Zug der Seligen ins Paradies: So lässt der Maler in der linken oberen Bildecke wenige Selige von Engeln geleitet durch eine lichtdurchflutete Himmelsöffnung des Paradies erreichen. Durch Veränderung dieses Motivs vom Seitenflügel auf eine Ecke der Mitteltafel schafft Bosch Platz für andere Themen.
Im linken Seitenflügel (Abb. 2, siehe links) schildert der Maler in drei Szenen das verlorene irdische Paradies der Schöpfungsgeschichte (AT). In Form einer Simultanerzählung sind von unten nach oben die Erschaffung Evas, der Sündenfall und schließlich die Vertreibung des ersten Menschenpaares aus dem Paradies dargestellt. In der Himmelszone zeigt der Maler den Sturz der Engel aus der Offenbarung des Evangelisten Johannes (NT).
So stürzen die gegen Gott rebellierenden Engel, im Kampf gegen den Erzengel Michael zu dämonenhafter Gestalt mutierend, in die weite, helle Paradieseslandschaft. Es ist eine bis dahin ungewöhnliche Bildkombination.
Der rechte Seitenflügel (Abb. 3, siehe rechts) ist der Hölle gewidmet. Die Verdammten sind bereits in einem Zelt über dem Höllenfürst für ein weiteres Gericht versammelt. Die Anklageschrift wird bereits verlesen und eine Kapelle untermalt die Szene mit lauten höllischen Klängen. Im Hintergrund erstreckt sich eine weite dunkle Brandlandschaft in die Tiefe. Es ist der Ort der immerwährenden Qualen, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Hieronymus Bosch beschäftigt sich in diesem Altar mit der Sündhaftigkeit des Menschen. Seine Aussicht auf Erlösung der Menschen ist pessimistisch. Nur wenigen bleibt das Paradies vorbehalten.
Die Außenseiten der beiden Flügel (Abb. 4, siehe links), die bei geschlossenem Zustand des Altares sichtbar werden, zeigen Heilige. Es sind dies der hl. Jacobus, der Nationalheilige Spaniens und Patron aller Pilger, der unversehrt durch eine böse Welt pilgert, und der hl. Bavo, ein Edelmann, der sein Hab und Gut den Armen schenkte und Patron der Stadt Gent ist. Beide sind durch ihre Attribute erkennbar, der Jakobsmuschel einerseits und dem Falken andererseits. Die beiden Wappenschilde in den untersten Bildzonen sind leer geblieben und verraten nichts über den Auftraggeber. Nur die beiden Heiligendarstellungen geben entsprechende Hinweise: So weisen der Nationalheilige Spaniens und der Stadtpatron von Gent auf den Umkreis der spanischen Linie des Hauses Habsburg, den Verwaltern der niederländischen Gebiete.