Die überschaubare, qualitätvolle Gruppe von Tafelbildern der altniederländischen Schule des 15. und 16. Jh. geht mit wenigen Ausnahmen auf Graf Lamberg zurück, allen voran das Weltgerichtstriptychon von HIERONYMUS BOSCH (dem ein eigener Punkt gewidmet ist) und die Marienkrönung von DIERIC BOUTS. Letztere spiegelt die Umwälzungen des religiösen Lebens der Zeit. Die ruhige unbewegte Darstellungsweise unterstützt den Gläubigen bei der privaten Andacht; denn die devotio moderna erlaubte eine direkte Auseinandersetzung mit Gott ohne geistlichen Vermittler.
Die Nachfrage an kleinen Andachtsbildern wuchs nach Bouts speziell bei bürgerlichen Käufern, die Kunstproduktion stellte sich darauf ein: emotional berührende Madonnentafeln oder Darstellungen der heiligen Kinder – wie das Bild mit der Heiligen Familie von JOOS VAN CLEVE belegt – wurden nun in einem raschen Produktionsprozess mit vereinfachender Maltechnik und intensiverer Nutzung von Vorlagen auf Vorrat für einen freien Markt produziert.
Lamberg interessierte sich aber auch für die Bilder der Antwerpener Manieristen (z. B. MEISTER DER GROOTE‘SCHEN ANBETUNG), die sich durch kleinteilige, vielfigurige Kompositionen mit enormer Dekorationsfreude auszeichnen sowie für die frühe Landschaftsmalerei, in der sich die gemalte Gegend allmählich von ihrer attributiven Funktion für narrative Szenen loslöste und zu einem autonomen Genre entwickelte, so bei den Werken von HERRI MET DE BLES und JOOS DE BEER.
Ergänzt wird die Lamberg-Gruppe der altniederländischen Malerei durch ein Männerbildnis von JAN CORNELISZ. VERMEYEN aus der Schenkung Liechtenstein, das sich durch die ungewöhnliche Präsenz des Portraitierten auszeichnet.